Hintergrund
25.11.2022
Drei Fragen an …
Burkhard Blienert
1. Zwischen 2019 und 2022 stieg der Anteil der Raucher in Deutschland von 27,2 auf 37,6 Prozent. Worauf führen Sie diesen bemerkenswerten Anstieg zurück?
Die Coronapandemie war und ist ein absoluter Problem-Verstärker. Sie hat uns sehr deutlich vor Augen geführt, wo wir in unserem Land gesundheitliche oder soziale Schwachstellen haben. Menschen, die vor der Pandemie ohnehin illegale Drogen, Tabak oder Alkohol konsumiert haben, das wissen wir mittlerweile durch diverse Erhebungen, haben durch die Belastungen tendenziell mehr konsumiert. Immerhin gibt es kleine, erste Zeichen, dass diese Entwicklungen so nicht weitergehen: Der von Ihnen benannte Trend beim Rauchen scheint aktuell ausgebremst zu sein, die Zahlen stagnieren und gehen sogar leicht zurück. Hierauf müssen wir aufbauen. Schließlich ist das Rauchen mit über 120.000 tabakbedingten Todesfällen pro Jahr allein in Deutschland nach wie vor das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko überhaupt. Etwa 90 Prozent aller Lungenkrebsfälle gehen auf das Rauchen zurück. Deshalb: Wir müssen mehr machen, um Menschen davon abzuhalten, mit dem Rauchen überhaupt zu beginnen. Genauso wichtig ist es aber, dass wir uns um die vielen Millionen Raucherinnen und Raucher kümmern, die seit Jahren immer wieder mal versuchen, von Zigaretten und Co. loszukommen, es aber bisher nicht geschafft haben. Es ist ja auch nicht einfach. Aber genau diesen Menschen wollen wir mit unserer Bundesinitiative „Rauchfrei Leben“ gemeinsam mit vielen wichtigen Akteuren des deutschen Gesundheitssystems helfen. Einer unserer ganz wichtigen Partner ist übrigens die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Mit „PS: Melde dich!“ haben wir gerade eine neue, wie ich finde, sehr charmante Kampagne aufgesetzt, die ganz gezielt zum Rauchausstieg motiviert und gleich den Weg aufzeigt, wie man sich dabei fachkundig helfen lassen kann. Denn wir wissen: Wer professionelle Hilfe in Anspruch nimmt, hat eine etwa fünf Mal größere Chance, diese wirklich tückische Abhängigkeit vom Nikotin zu überwinden.
2. Immer mehr Menschen nutzen E-Zigaretten. Ist das Dampfen Einstieg oder Ausstieg aus der Nikotinsucht?
Mittlerweile ist erwiesen, dass E-Zigaretten zwar insgesamt weniger Schadstoffe enthalten, aber eben auch alles andere als gesund sind. Vor allem aber werden sie in der Regel mit viel Nikotin genutzt und machen dadurch auf ähnliche Weise abhängig wie eine normale Zigarette. Das heißt auch, dass sie beim Umstieg weiterhin den „Hunger“ nach Nikotin befriedigen. Um einen erfolgreichen Rauchausstieg zu schaffen, brauchen Menschen letztendlich mehr als nur den Umstieg auf eine andere Nikotinquelle: Sie brauchen ärztliche Begleitung, denn ein Rauchausstieg mit professioneller Begleitung beziehungsweise ärztlicher oder therapeutischer Unterstützung ist viel erfolgreicher, als es alleine zu versuchen.
3. Was wollen Sie bei der Tabakprävention anders machen als Ihre Vorgängerinnen?
Wichtig ist für mich immer, vorauszuschauen, nicht nach hinten. Ich möchte bei der Prävention weitermachen und vorankommen beim Thema Werbung, Marketing und Sponsoring. Das gilt auch und explizit für politische Veranstaltungen wie Parteitage. Wir dürfen kein Wasser predigen und Wein trinken, dadurch werden wir komplett unglaubwürdig. Der Koalitionsvertrag bietet für diese Vorhaben eine wertvolle Grundlage. Um mal konkreter zu werden: Für neuartige Tabakerzeugnisse wie Erhitzer kommt das Außenwerbeverbot ab dem 1. Januar 2023 und für nikotinhaltige und -freie E-Zigaretten ab dem 1. Januar 2024. Auch die Kinowerbung vor Filmen ab 18 Jahren und das kostenlose Verteilen von „Probierzigaretten“ ist bereits verboten. Aber, wenn es beim Status quo bleibt, darf auch in Zukunft im Laden und in der Tankstelle für Zigaretten und Co. geworben werden. Das finde ich nicht gut, auch weil Kinder und Jugendliche jeden dieser Orte frei betreten können. Und dass Werbung gerade bei ihnen besonders verfängt, das wissen wir ja heute. Deswegen möchte ich, dass sich die Bundesregierung dieses Themas annimmt. Ich bin überzeugt, dass gut gemachte und wirksame Präventionsarbeit ein Dauerthema ist und bleibt. Jede nächste Generation muss immer wieder über die gesundheitlichen Folgen des Rauchens und auch die des Dampfens aufgeklärt und sensibilisiert werden. Die eigene Lebenskompetenz, die eigene Achtsamkeit für meine und die Gesundheit der anderen sollte stärker in den Fokus rücken. Mein Wunsch ist es, dass ich es in meiner Amtszeit erreiche, dass Menschen mit sich und ihrem Umfeld ein Stück weit rücksichtsvoller umgehen, aufeinander Acht geben. Das braucht es nicht nur beim Thema Suchterkrankungen oder problematischem Konsum, sondern insgesamt in unserer Gesellschaft.
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