13.02.2025

KBV-Positionspapier

Stillstand ist keine Lösung

Der Vorstand der KBV: Dr. Andreas Gassen, Dr. Sibylle Steiner und Dr. Stephan Hofmeister (v. l.) – sechs Forderungen stellt die KBV in ihrem Positionspapier vor den Neuwahlen an die künftige Bundesregierung. Foto: axentis.de/Lopata

Es geht um die Zukunft: Deutschland braucht nicht nur eine neue Bundesregierung. Auch das Gesundheitssystem ist an vielen Stellen erneuerungsbedürftig. Was zum Erhalt der ambulanten Versorgung als tragende Säule des Gesundheitswesens künftig erforderlich ist, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in sechs Forderungen klar formuliert.

 

„Unsere Gesundheit erlaubt keinen Stillstand“, ist das Positionspapier der niedergelassenen Ärzte- und Psychotherapeutenschaft überschrieben. Es ist ein Appell zum Erhalt des Sozialstaates und einer modernen und zeitgemäßen ambulanten medizinischen Versorgung. Wie wichtig den Menschen hierzulande die Gesundheitsversorgung ist, unterstreicht beispielsweise eine Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes: Demnach sehen 48 Prozent der Deutschen (56 Prozent Frauen, 39 Prozent Männer) den Bereich Gesundheit und Pflege als wichtigstes politisches Handlungsfeld für die nächste Bundesregierung.

 

Ärztin sitzt an einem Schreibtisch und unterhält sich mit einem Patienten
In der Arztpraxis: „Die beste Versorgung ist wohnortnah, wirtschaftlich und patientenorientiert“, bekräftigt KBV-Chef Gassen. Foto: IMAGO / Imagebroker

Verlorene Zeit

Mit Blick auf die neue Bundesregierung ist die Erwartung der KBV klar. „Wir brauchen eine Rahmensetzung, die es ermöglicht, unser wohnortnahes System der Gesundheitsversorgung durch Praxen zu stabilisieren“, sagt KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen. Aus Perspektive der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung war die Legislaturperiode in der Amtszeit der Ampel-Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP verlorene Zeit und bedeutete Stillstand – besonders auch für die Versorgung der Patientinnen und Patienten in den Praxen. 

Bereits zu lange ignoriere die Politik die zunehmenden Probleme in der ambulanten Gesundheitsversorgung, vermerkt das Positionspapier und apostrophiert sechs zentrale Forderungen für eine moderne und zeitgemäße ambulante medizinische Versorgung:

  1. Selbstverwaltung als tragende Säule des Gesundheitswesens
  2. Das Gesundheitswesen braucht eine verlässliche Gesundheitspolitik
  3. Sicherung einer angemessenen Finanzierung als Investition in die Zukunft des Gesundheitswesens
  4. Gute Medizin braucht gute Rahmenbedingungen und praxistaugliche Digitalisierung
  5. Mehr Steuerung und Orientierung in unserer Versorgung
  6. Leistung im Gesundheitswesen muss sich lohnen

 

Letzte Sitzung vor der Bundestagswahl: Für die Zukunft fordert die KBV eine verlässliche Gesundheitspolitik. Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Tragende Säulen

Warum ist beispielsweise die Selbstverwaltung wichtig? „Die Politik muss sich wieder auf die bewährte Arbeitsteilung zurückbesinnen und die gemeinsame Selbstverwaltung machen lassen, wofür sie gedacht ist und vor allem wozu sie die notwendige Sachkompetenz hat. Eine eigenständige Selbstverwaltung ist grundlegend für eine freiheitliche und krisenfeste Gesellschaft“, konstatiert KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Sie sorge für Kontinuität und Verlässlichkeit über Partei-, Politik- und Regierungswechsel hinweg. Steiner: „Gerade deshalb hat der Gesetzgeber vor rund 70 Jahren die Organe der Selbstverwaltung mit der Sicherung der Versorgung im Bedarfsfall beauftragt.“

Daher fordert die KBV einen „gemeinsamen Pakt für Selbstverwaltung“ als Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip im deutschen Gesundheitswesen. Mit Blick auf die Selbstverwaltungspartner Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sagt KBV-Chef Gassen: „Wir sind es, die die medizinische Versorgung der Menschen in Deutschland organisieren. Wir sind die tragenden Säulen unseres Gesundheitssystems.“

 

„Gute Medizin braucht gute Rahmenbedingungen und praxistaugliche Digitalisierung“, lautet eine Forderung aus dem KBV-Positionspapier. Foto: iStock / ra2studio

Verlässliche Politik

Mindestens ebenso fundamental ist das Plädoyer für eine verlässliche Gesundheitspolitik: „Wir fordern eine nachhaltige Unterstützung von freiberuflich-selbstständigen Strukturen in der ambulanten Versorgung und ein Ende der politischen Misstrauenskultur gegenüber den ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Ein Bekenntnis zum tragenden Organisationsprinzip ‚ambulant vor stationär’ im deutschen Gesundheitswesen ist dabei essenziell“, heißt es im Positionspapier der KBV. 

„In der Gesundheitspolitik ist aus meiner Sicht etwas passiert, was für uns absolut schädlich ist. Es ist nämlich ideologisch gearbeitet worden“, charakterisiert der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister die vergangenen Ampel-Regierungsjahre. Ideologie habe bei uns im Gesundheitswesen allerdings nichts zu suchen. Die funktioniere nicht. „Wir brauchen pragmatische Lösungen. Wir brauchen kein neues Gesundheitssystem. Wir brauchen evolutionäre Weiterentwicklung“, so der KBV-Vize.

„Die beste Versorgung ist wohnortnah, wirtschaftlich und patientenorientiert und folgt der Devise ,ambulant vor stationär’. Die Finanzierung des Gesundheitswesens ist eine Investition in die Zukunft und in die öffentliche Daseinsvorsorge“, bekräftigt Gassen. Alle sechs Forderungen des KBV-Positionspapiers zielen darauf ab. Denn unter Expertinnen und Experten ist laut Hofmeister unumstritten: „Es gibt keine preiswertere, ,wohnortnahere’ und menschennähere Versorgung als die ambulante Versorgung.“

Thomas Schmitt