Bericht aus Brüssel
16.09.2021
KBV-Versichertenbefragung 2021
Die Patienten sind sehr zufrieden
Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf die Ergebnisse der Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus – aber nicht negativ. Die Zufriedenheit mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie ihrer Praxisteams ist ungebrochen auf einem hohen Niveau.
Die KBV lässt die Versichertenbefragung seit dem Jahr 2006 regelmäßig durchführen. In diesem Jahr hat die Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH vom 29. März bis 26. April 2021 in Deutschland insgesamt 6.193 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger telefonisch befragt.
Arztbesuch im letzten Jahr, Arztkontakt bei Praxisbesuch, Grund für Arztbesuch
In den beiden Coronajahren 2020 und 2021 ist die Zahl der Arztbesuche leicht gesunken. „Das ist kein gravierender Rückgang. Es ist eher ein Indiz dafür, dass die Menschen gründlicher überlegt haben, ob ein Arztbesuch tatsächlich notwendig ist“, erklärt der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen. Die Zahl der Praxisbesuche mit Arztkontakt ist mit 80 Prozent in diesem und dem vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Im langfristigen Schnitt der Jahre von 2008 bis 2019 waren es 86 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr kamen sieben Prozent weniger Patientinnen und Patienten mit akuten Problemen in die Arztpraxis. „Wahrscheinlich schlägt sich hier die geringere Rate an saisonal üblichen Infekten aufgrund der Hygienemaßnahmen und Kontaktverbote nieder“, sagt Gassen.
Wartezeiten
Spontane Arztbesuche ohne Wartezeit beziehungsweise Termin sind im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent zurückgegangen. Zugenommen haben hingegen die mittleren Wartezeiten von zwei Tagen bis zu einer Woche. „Daran sieht man, dass die Praxen auf die Notwendigkeit von Kontaktbeschränkungen und Infektionsvermeidung reagiert und die Terminvergabe entsprechend angepasst haben“, betont Gassen. Ganz zum Verständnis der Patienten. Denn nur 18 Prozent hat die Wartezeit auf einen Termin zu lange gedauert. Im vergangenen Jahr waren es noch 20 Prozent. Die Anpassung des Praxismanagements spiegelt sich auch in den Wartezeiten in der Praxis wider. Während im Jahr 2019 nur 42 Prozent ohne beziehungsweise mit einer Wartezeit von bis zu 15 Minuten auskamen, sind es jetzt 58 Prozent. Länger als 30 Minuten haben im vergangenen Jahr – ähnlich wie in den Jahren zuvor – 26 Prozent der Patientinnen und Patienten im Wartezimmer verbracht. Aktuell sind es nur noch 15 Prozent. „Als KBV haben wir die Praxen bei der Umorganisation ihrer Abläufe unterstützt – zum Beispiel durch zahlreiche mit den Krankenkassen getroffene Sondervereinbarungen“, sagt Gassen. Dazu zählten zum Beispiel die Behandlung ohne das Einlesen der Versichertenkarte vor Ort, telefonische Konsultationen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per Telefon, der Versand von Folgerezepten sowie das Wegfallen der Begrenzungen für Videosprechstunden.
Vertrauen
Das Vertrauen der Patientinnen und Patienten zu den niedergelassen Ärztinnen und Ärzten konnte auch die Corona-Pandemie nicht erschüttern: 90 Prozent der Befragten bewerten das Vertrauensverhältnis mit gut oder sehr gut. 91 Prozent attestieren ihren Ärztinnen und Ärzten zudem eine gute oder sehr gute Fachkompetenz. „In der Corona-Krise mussten sich die Patientinnen und Patienten in besonderer Weise auf ihre Ärzte und Ärztinnen verlassen. Diese Werte beweisen, dass sie das auch konnten“, betont Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.
Gesundheit und Gesundheitssystem
Die Versichertenbefragung geht auch auf die bevorstehenden Herausforderungen für die Gesundheit und das Gesundheitssystem ein. Die Ängste vor Personalmangel in den Pflegeberufen (16 Prozent) sowie vor Pandemien und Infektionskrankheiten (13 Prozent) haben die Sorge vor einem Ärztemangel auf den dritten Platz gerückt (9 Prozent). „Das zeigt sehr deutlich, wie aktuelle Debatten und Berichterstattungen die Wahrnehmung beeinflussen. Vor einem Jahr war die größte Sorge noch der Ärztemangel. Aber egal ob in den akademischen oder den Ausbildungsberufen – Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen lässt sich nicht durch kurzfristige Aktionen beheben. Er erfordert langfristige politische Lösungen“, bekräftigt Hofmeister.
Bereitschaftsdienst, 116117
Dank entsprechender Kampagnen weiß inzwischen fast die Hälfte der Bevölkerung, dass es eine einheitliche Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes gibt. Gut zwei Drittel hiervon können die 116117 auch korrekt benennen. 29 Prozent der Befragten hat die Nummer in den vergangenen zwölf Monaten genutzt – fünf Prozent mehr als im Vorjahr. 38 Prozent dieser Menschen wählte die 116117 im Zusammenhang mit Corona. Dies ist ein Zuwachs von 21 Prozent. „Die 116117 ist in der Pandemie zur sogenannten Corona-Hotline geworden. Allein im ersten Halbjahr 2021 haben 67 Millionen Menschen die 116117 angerufen. Nur zwölf Prozent der Anrufe entfielen auf die klassischen Aufgaben der 116117 wie Bereitschaftsdienst und Terminvermittlung“, berichtet Hofmeister. Auch die Website 116117 wurde rege genutzt: 37,9 Millionen Seitenaufrufe gab es bereits im ersten Halbjahr 2021, mit Spitzenwerten von bis zu 620.000 Besuchen am Tag. „Für eine solche Mammutaufgabe war die 116117 ursprünglich nicht konzipiert. Dennoch konnte sie – als einzige bereits etablierte Nummer bundesweit – all diese Aufgaben übernehmen und, bis auf wenige kurze Ausnahmen, auch gewährleisten“, so Hofmeister.
Digitalisierung
Deutlich zugenommen haben im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit die Videosprechstunden. Die Hälfte der Befragten nutzt sie bereits oder würde sie nutzen. Vor zwei Jahren waren es noch 37 Prozent. „Es sind aber vor allem die jüngeren Menschen in den Großstädten, die der Videosprechstunde aufgeschlossen gegenüberstehen. Für die Sicherstellung der Versorgung der älteren Bevölkerung in den ländlichen Gebieten ist sie daher nicht die richtige Option“, so KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Der Gesetzgeber versuche die Digitalisierung mit der elektronischen Patientenakte (ePA) voranzutreiben. Es geht zwar mehr als die Hälfte der Befragten davon aus, dass die ePA die medizinische Behandlung verbessern wird – doch gerade einmal ein Prozent der gesetzlich Versicherten hat bereits eine. „Positive und negative Erwartungen speisen sich also kaum aus der praktischen Erfahrung mit der ePA, sondern auch hier aus Medienberichten und politischen Versprechen“, so Kriedel.
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